#14Themen: Drogen- und Suchtpolitik

Bis zur Landtagswahl am 20. Januar 2013 stellen wir jeden Tag einen Themenbereich aus unserem Wahlprogramm vor, da wir Themen als das wichtigste Wahlkriterium ansehen. Für weitere Themen schaue die nächsten Tage auf dieser Website erneut vorbei oder lade Dir das komplette Wahlprogramm herunter. Eine Übersicht aller #14Themen gibt’s hier.

Heute: Drogen- und Suchtpolitik

Wir, die PIRATEN Niedersachsen, stellen fest, dass die deutsche Drogenpolitik seit 40 Jahren fast ausschließlich auf Verbot und Strafverfolgung setzt und sich an das unrealistische Ziel einer drogenfreien Gesellschaft klammert. Einige Stoffe bleiben verboten, obwohl sie in Studien als wenig suchtund gesundheitsgefährdend eingestuft werden. Zugleich werden nachweislich gefährliche Substanzen wie Alkohol und Tabak in der Gesellschaft akzeptiert, ebenso Pharmaprodukte mit hohen Suchtpotential.

Eine repressionsfreie Drogenpolitik

Der Gesetzgeber hält an Gesetzen fest, die weder Jugendliche noch Erwachsene wirkungsvoll schützen und die nicht die tatsächliche Gefährlichkeit berücksichtigen; Gesetze, die Polizei und Gerichte überlasten, sowie uns Bürger Jahr für Jahr Milliarden an wirkungslos verschwendeten Steuergeldern kosten.

Wir, die PIRATEN Niedersachsen, stehen für eine repressionsfreie Drogenpolitik und wollen ein Ende der gescheiterten Verbote. Wir lehnen die heutige, wissenschaftlich nicht haltbare Unterscheidung in legale und illegale Stoffe ab. Stattdessen fordern wir die objektive Bewertung und Handhabung aller psychoaktiven Substanzen alleine aufgrund ihres Gefahrenpotentials. Die Bevormundung Erwachsener beim verantwortungsvollen Umgang mit Rausch- und Genussmitteln widerspricht unserer Grundüberzeugung und unserem Verständnis einer mündigen Gesellschaft. Die Konsumenten dürfen nicht mehr wie bisher kriminalisiert werden. Der damit verbundene Schwarzhandel muss durch kontrollierte Erwerbsstrukturen ersetzt werden. So ergeben sich Rahmenbedingungen, die viele Probleme beseitigen, die alleine durch gefährliche Beimischungen und mangelnde Hygiene entstehen.

Regeln, helfen und leiten statt strafen

Prävention (Vorbeugung) muss ehrlich und sachlich sein, um nachhaltig überzeugen zu können. Damit wir für eine neue Drogenpolitik die notwendigen neuen Regelungen finden können, müssen alle Beteiligten und Betroffenen an den Überlegungen beteiligt werden. Nur dann können wir gemeinsam neue Konzepte gestalten, die ideologiefrei und realitätsorientiert die richtigen Schritte in Richtung Zukunft gehen. Gesetze, Verordnungen und Abgaberegelungen dürfen nur noch zum Schutz vor tatsächlichen Gefahren erlassen werden, nicht aufgrund ideologischer oder wirtschaftlicher Argumente. Ein barrierefreier und unzensierter Zugriff auf alle Informationen zu jeglichen Drogen ist jedem Bürger zu gewährleisten.

Jugendschutz durch Präventionsunterricht am Beispiel „HaLt“

Die heutigen Maßnahmen zur Drogenprävention an Schulen sind aus unserer Sicht unzulänglich. Auch der Wissensstand des lehrenden Personals erweist sich oft als unzureichend. Einzelne Pilotprojekte haben gezeigt, wie wichtig und nachhaltig eine gute Prävention bereits im Grundschulalter ist. Jedweder Erstgebrauch, ob bei legalen oder illegalen Substanzen, nahm in den teilnehmenden Gruppen gegenüber den Vergleichsgruppen deutlich ab. Ihre erzielten Erkenntnisse und Erfolge tragen die Kinder wie selbstverständlich in die weiterführenden Schulen und ihre Freundeskreise. So wird für eine Multiplikation gesorgt, die Unterricht alleine kaum leisten kann.

Wichtig wird hierbei nicht nur ein einheitliches und sachliches Lehrmaterial sein, auch dass das Lehrpersonal umfassend und gründlich geschult wird, ist wichtig. Nur so wird an Bildungseinrichtungen ein kompetenter Unterricht ermöglicht. Auch externe Fachreferenten sollen hinzugezogen werden, um insbesondere in der Sekundarstufe das Wissen bei Lehrern und Schülern zu vertiefen. Grundgedanke und Ziel ist es, vorhandene Vorurteile gegen wissensbasierte Fakten auszutauschen.

Ein erfolgreiches Beispielprojekt für die Alkoholprävention existiert bereits in der Initiative „HaLt – Hart am Limit“, dessen landesweite Einführung wir in Niedersachsen vorantreiben werden. Die Einsparungen an langfristig suchtbedingten Folgekosten decken die Kosten für den flächendeckenden Aufbau von HaLt-Standorten.

HaLt „Hart am Limit“

„Hart am Limit“ ist ein Suchtpräventionsprojekt, das aus zwei unterschiedlichen Bausteinen besteht, die sich gegenseitig ergänzen und verstärken. Zum einen besteht es aus einer kommunal verankerten Präventionsstrategie, mit dem Ziel, Alkoholexzesse und schädlichen Alkoholkonsum im Vorfeld zu verhindern. Im zweiten, reaktiven Baustein setzen sich Jugendliche nach einer stationär behandelten Alkoholvergiftung in verschiedenen Maßnahmen mit ihrem riskanten Konsumverhalten auseinander.

Cannabis als Heilpflanze

Die Cannabispflanze enthält eine Reihe von Wirkstoffen, die ein hohes Potenzial für die medizinische Nutzung haben. Es gibt ungefähr 60 verschiedene dieser Wirkstoffe, sogenannte Cannabinoide, und alle weisen ein unterschiedliches Wirkungsprofil auf.

Diese Substanzen bieten Linderung bei vielen schwerwiegenden Leiden und Krankheiten, wie beispielsweise Krebs, HIV, Tourette, Epilepsie, Rheuma, Arthritis, Multiple Sklerose oder in der Schmerztherapie. Für diese Krankheiten kennt die moderne Medizin keine abschließenden Behandlungsmöglichkeiten. Darum ist international bereits ein deutlicher Trend zu verzeichnen, Cannabis nicht nur als Genussdroge, sondern auch als Heilpflanze zu betrachten. Leider wird in Deutschland jede sachorientierte Herangehensweise in diese Richtung bislang verweigert.

Wir fordern ein Umdenken. Patienten, die auf die medizinische Nutzung von Cannabis angewiesen sind, soll der Zugang wie zu jeder anderen Arznei aus diesem Bereich ermöglicht werden. Außerdem werden so die Hürden aus dem Weg geräumt, die eine zukunftsweisende Forschung in diesem Bereich verhindern.

Entkriminalisierung von Cannabis

Aber nicht nur die medizinische Verwendung von Cannabis muss aktualisiert werden. In Niedersachsen konsumieren über eine Viertelmillion Menschen zumindest gelegentlich Cannabis als Genussmittel. Cannabis ist damit als Volksdroge in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Alle bisherigen Versuche, den Schwarzmarkt einzudämmen, führten zu immer weiteren Einschränkungen der Grundrechte: Tausende Abhörmaßnahmen werden gegen vermeintliche Drogendealer angeordnet. Daraus erwachsen aber regelmäßig auch Verfahren gegen einfache Konsumenten.

Durch lange aufbewahrte, sogenannte „taktische Hinweise“ der Polizei entsteht faktisch eine zentrale „Kifferdatei“, die zum Teil nur auf Vermutungen basiert. Die Einstufung von Bahnhöfen und Parks als „gefährliche Orte“ ermöglicht verdachtsunabhängige Personenkontrollen. Da die Rechtsprechung undurchsichtig ist, werden Besitzer von Kleinstmengen ersatzweise von den Führerscheinbehörden schikaniert. Wir fordern, dass sich die Politik endlich ihrer Verantwortung stellt und den Schwarzmarkt beseitigt. Das aufgrund der Verbotspolitik entstandene kriminelle Milieu muss nachhaltig ausgetrocknet werden. Herstellung, Verkauf und Konsum von Hanfprodukten muss entkriminalisiert und den Mechanismen des Jugend- und Verbraucherschutzes unterworfen werden. Schimmelpilz und gesundheitsgefährdende Beimengungen von Streckmitteln wie Vogelsand, Backmischungen, Haarspray, Dünger, synthetische Stoffe oder Blei müssen verhindert werden.

Die vorliegenden Erfahrungen mit der Entkriminalisierung von Cannabis in Portugal, den Niederlanden und Tschechien legen nahe, dass dann langfristig auch in Deutschland die Konsumentenzahlen zurückgehen werden.

Auch der Heroinkonsum wurde in der Vergangenheit weitgehend ideologisch und dogmatisch diskutiert. Eine sachorientierte Auseinandersetzung mit dem Problem fand nicht statt.

Bestenfalls wurden Schwerstabhängige mit Ersatzstoffen behandelt, um sie zur Abstinenz zu führen. Wer keinen Therapieplatz erhielt, beim Beikonsum erwischt wurde oder wegen der fehlenden Rauschwirkung der Ersatzstoffe in der psychischen Abhängigkeit verblieb, wurde in die Kriminalität gedrängt und in der Folge Opfer von Verelendung und gesellschaftlicher Ächtung. Auch Suchtkranke verdienen es jedoch, mit den besten zur Verfügung stehenden Medikamenten und Therapien behandelt zu werden.

Durch erfolgreiche Pilotprojekte z. B. in Hannover und Hamburg konnten der sinnvolle Einsatz von reinem künstlichen Diamorphins nachgewiesen werden. Dank kontrollierter Abgabe und Konsum des Diamorphins gelang es, Schwerstabhängige zu stabilisieren. Bei Einigen reduzierte sich der Bedarf, andere wurden sogar dauerhaft abstinent. Bei allen Teilnehmern zeigten sich erhebliche Verbesserungen. Hatte sich ihr Leben vorher ausschließlich um Beschaffungskriminalität und das Besorgen der nächsten Dosis gedreht, gewannen sie nun ihre Selbstbestimmung zurück und fanden neuen Lebensmut. In der frei gewordenen Zeit fanden viele Wohnung und Arbeit und begannen wieder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Der körperliche Zustand der Konsumenten verbesserte sich grundlegend. Die durch gefährliche Beimischungen (Talkum, Paracetamol, Glasstaub, Strychnin, Psychopharmaka, usw.) und Verschmutzung durch Keime und Bakterien im „Straßenheroin“ entstandenen gesundheitlichen Probleme traten nicht mehr auf. Infektionen wie zum Beispiel mit Hepatitis-C und HIV wurden verhindert.

Auf Basis dieser Erfahrungen muss kontrolliert verabreichtes Diamorphin als Medikament im Rahmen einer wirksamen Therapie betrachtet und als weiterer Baustein in der Behandlung Suchtkranker etabliert werden.

Wir fordern daher eine Ausweitung des Diamorphin-Programmes. Das Land soll die Einrichtung entsprechend gesicherter Arztpraxen und Ambulanzen unterstützen.

Informationelle Selbstbestimmung im Drogenbereich

Verbot von Einstellungstests auf Drogen

Die informationelle Selbstbestimmung ist auch im Bereich der Drogenpolitik zu gewährleisten, d. h. jeder Einzelne entscheidet selbst, welche persönlichen Daten er freigibt. Besonders große Unternehmen und Konzerne führen immer häufiger Einstellungstests durch, bei denen eine medizinische Untersuchung auf Drogenkonsum stattfindet. Diese Tests werden den Bewerbern, die sich hierzu schriftlich einverstanden erklären müssen, indirekt aufgezwungen. Bei Verweigerung der Tests haben die Bewerber keine Chance, die Arbeitsstelle zu bekommen. Interessanterweise wird in diesen Tests Alkoholmissbrauch nicht überprüft, obwohl dieser nachweislich für große Probleme im Arbeitsleben sorgt.

Wir wenden uns strikt gegen die Praxis vieler Unternehmen, Drogentests zum Standard bei Einstellungsverfahren zu machen. Diese gesetzliche Grauzone muss endlich geregelt werden. Den Arbeitgebern müssen diese Tests untersagt werden, sofern es sich dabei nicht um sensible Arbeitsbereiche handelt.

Hierbei soll Niedersachsen ein Vorreiter sein. Damit sollen auch bundesweit die Bestrebungen großer Unternehmen gestoppt werden, ihre Mitarbeiter völlig zu durchleuchten.

Umgang mit Daten

Mitarbeitern einiger Behörden ist es auch ohne jede fachliche Qualifikation erlaubt, reine Vermutungen über einen möglichen Drogenkonsum in persönliche Akten einzutragen. Derartige Einträge werden in der Folge nicht mehr hinterfragt und können so zu ungerechtfertigten Hürden für die Betroffenen werden. Diese Praxis muss unterbunden werden.

Auch im Rahmen von Ermittlungen des Landeskriminalamtes kommt es immer wieder dazu, dass Leute unschuldig des Konsums, Besitzes oder Verkaufs von illegalen Drogen verdächtigt werden. Eine erkennungsdienstliche Behandlung findet hierbei oft in rechtlich fragwürdigem Rahmen statt. Die so festgestellten, sehr persönlichen Daten müssen nach ergebnislos gebliebenen Ermittlungen umgehend wieder gelöscht werden. Dies wird heute nicht so praktiziert. Vielmehr sind Betroffene gezwungen, mittels selbst bezahltem rechtlichem Beistand eine solche Löschung durchzusetzen. Wir fordern die Löschung personenbezogener Daten, falls sich ein Verdacht nicht bestätigt. Eine weitere Verwendung der Daten und die Weitergabe sollen auf jeden Fall unterbleiben.

In staatlichen Hilfsprogrammen, zum Beispiel bei der Methadon- Substitution, müssen teilnehmende Personen ihren behandelnden Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden, um die Krankenkassenleistung bekommen zu können. Diese entwürdigende Anforderung ist aufzuheben. Drogenkranke Menschen sind, wie alle anderen Bürger auch, als Patienten zu behandeln.

Die E-Zigarette

Viele Menschen in Deutschland verwenden heute die E-Zigarette als Genussmittel. Die dafür verwendeten Flüssigkeiten, Liquids genannt, bestehen aus einer flüssigen Trägersubstanz mit Aromen und können zusätzlich Nikotin enthalten. Bei der Verdampfung des Liquids in der E-Zigarette entsteht kein Rauch und nach dem derzeitigem Stand der Untersuchungen werden auch keine anderen Dämpfe frei, die für Dritte schädlich sein könnten.

Wir fordern Qualitätsstandards festzulegen, die als Grundlage für Produktion, Vertrieb und Handel von E-Zigaretten und die Liquids dienen sollen. Diese Standards sollen z.B. gelten für die verpflichtete Angabe der Inhaltsstoffe der Liquids und der Nikotinkonzentration, für kindersichere Behältnisse oder für Zulassungsregeln für Produzenten.

Eine Höchstkonzentration für Nikotin in den Liquids soll festgelegt werden, sowohl auf Landes- und Bundes und besten auch auf Europäischer Ebene. Sämtliche Regelungen und Einschränkungen sollen nur zum Zwecke des Jugend- und Verbraucherschutzes getroffen werden. Die Abgabe von E-Zigaretten und Liquids soll erst ab dem vollendeten 18. Lebensjahr gestattet werden.

Die Einbeziehung von E-Zigaretten ins »Nichtraucherschutzgesetz « entbehrt dagegen jeder Grundlage und wird von uns ebenso wie die Beschränkung der Nutzung der EZigarette auf Raucherbereiche abgelehnt.


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